Wallis Report 2007
Bettmerhorn (2857 m) und Eggishorn (2926 m), Aletschgletscher, Berner Alpen
Noch
am Vorabend setzten wir von Saas Fee nach Fiesch über. Die Zimmersuche
erwies sich hier schwieriger. Aber in einer Gasthofspension mitten im
Ort wurden wir fündig. Am Morgen lassen wir den Wagen dort stehen, es sind nur 5
Min.-Fußweg zur Luftseilbahn. Mit derer lupfen wir uns gleich bis zur
Station Eggishorn – und ergötzen uns nur wenige Minuten später
an einem der schönsten und atemberaubendsten Gletscheranblicke, die ich
je erlebt habe.
Direkt
vor unseren Augen strömt
ein riesiger Eisgigant dahin. 2 Km breit und über 20 Km lang. Vom Kreuz des Eggishorn hat der
Besucher eine tolle Übersicht. Bis hinauf zum Konkordiaplatz,
wo die drei Gletscher Großer Aletschfirn, Jungfraufirn und Emigschneefäld
zum Großen Aletschgletscher zusammenfließen und ihm mit
ihren Moränen sein typisches Aussehen verleihen, die markanten
Moränenstreifen mittig. Über diesem Anblick thronen die Riesen
Eiger, Mönch und Jungfrau.
Seit Ende 2001 steht die Jungfrau-Aletsch-Bietschhorn-Region als erstes
Naturerbe im gesamten Alpenraum in der Welterbeliste der UNESCO. Das
Gebiet stellt die größte vergletscherte Region in den Alpen
dar, in deren Zentrum der Große Aletschgletscher liegt. Der größte
und längste Alpeneisfluss mit 23 Km Länge und einer Fläche
von 80 qkm. Leider verkürzte sich der Gletscher seit 1860 bereits
um 3 km. Heute ist das Eis am Konkordiaplatz noch 900 m dick. Es fließt
ganze 180 m im Jahr talwärts. Die gemeinsame Intension der ansässigen
Gemeinden ist es, die Landschaft den künftigen Generationen in
ihrer ästhetischen Schönheit zu bewahren. Die Region zählt
allein 107 größere und kleinere Eisströme, die gesamt
250 qkm bedecken. Das sind 47% des 540 qkm Weltnaturerbegebiets, das
zudem neun 4000er und zahlreiche 3000er einschließt. Interessant
ist auch der Aletschwald mit 600-700 Jahre alten Lärchen- und
Arven, der sich auf den einstigen Moränenwällen am Fuße
ansiedelten und durch die besonderen klimatischen Bedingungen extrem
langsam wachsen - und so auch uralt werden.
Nach
opulenter Fotosession auf dem Eggishorn folgen wir dem UNESCO-Höhenweg
Eggishorn-Bettmerhorn. Die Gratwanderung bietet dauerhaft eine großartige
Sicht auf Gletscher und Region mit Jungfrau & Co. sowie auf weitere
Gipfel der Berner Alpen, z.B. das markante Bietschhorn im Westen. Die
Gratüberschreitung dauert insgesamt 3-4 Stunden zwischen beiden
Bergstationen Eggishorn und Bettmerhorn. Der Weg über die Gratkante
erfordert hier und da leichte Kletterei, die mit Seilen überall
sehr gut abgesichert ist.
Auf
einem der vorderen Gipfel des Bettmerhorns pausieren wir gedeihlich.
Und bestaunen auch von hier noch immer den kolossalen Eisfluss. Nach
Süden haben wir zudem einen fantastischen Blick ins Rhonetal,
Binntal und auf die Walliser Alpen, die wir ja von den letzten Tagen
schon teilweise kennen.
Nun wollen wir die Sache mal von Nahem betrachten und steigen hinab,
vorbei am Aussichtspunkt Gletscherblick, wo sich zahlreiche Turnschuh-
und Sandalenträger lautstark ergötzen. Sogar hochhakige Absätze
sehe ich, Schuhe, die ich mit meiner heutigen Erfahrung eher als sogenannte „Sitzschuhe“ bezeichnen
würde. Unglaublich, wie eine erwachsene Frau sich für eine
solche Region solche Fußfesseln anlegen kann – und vor
allem schaut die Humpelei sehr dämlich aus auf dieser Schotterpiste.
Schnell wandern wir weiter, weg von krähenden Touris zunächst über
Steintreppen, dann weiter über einen angenehmen Pfad hinab zur
Roti Chumma (2348 m). Wir kommen dem Eisstrom näher und spüren
die frische Brise, die von ihm heraufweht. Tiefe Spalten und Rinnen
werden erkennbar, gefüllt mit blauem Wasser, Schutt und Felsen,
die der Aletsch mit sich trägt – aber die tatsächliche
Größe wird erst erkennbar, als wir winzig kleine Wanderer
zwischen den tiefen Furchen erblicken.
Schließlich erreichen wir über einen in den Fels gehauenen
breiten Weg die runden ausgeschliffen und gewaschenen Felsen oberhalb
des Märjelesees. Dieser See hatte, auf der einen Seite vom Gletscher
gestaut, zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch eine Länge von 1600
m und Breite von 460 m sowie eine Tiefe von 78 m. Schwammen hier früher
noch hausgroße Eismassen, die beim „Kalben“ des Gletschers
in den See abbrachen, so hat der Märjelesee heute durch den Gletscherrückgang
nur noch wenig Wasser. Wir beobachten nur noch ein kleines schwimmendes
Eisbröckchen in Größe eines Autos etwa, das langsam
in der gleißenden Sonne dahin schmilzt.
Trotzdem ist der See absolut sehenswert, vor allem, weil wir hier
unmittelbar am Gletscher dessen Ausmaße bzw. Höhe wahrnehmen
können. Riesig! Immer noch.
Nach unserer Pause am Seeufer führt uns der Touristenweg Fiescheralp-Märjelesee
um das Eggishorn herum zurück zur Fiescheralp, dem Endpunkt unserer
Rundtour. Von der hiesigen Mittelstation der Luftseilbahn können
wir uns dann gemächlich nach Fiesch hinunter tragen lassen. Zunächst
aber folgen wir diesem breiten Wander- und Fahrweg mit samt Abkürzung
durch einen Tunnel, der uns den beschwerlicheren Weg über den
Tälligrat erspart. Man kann schon sagen, der Aletschgletscher
ist auch für Spaziergänger excellent erschlossen, denn dieser
Weg ist gut ausgebaut und hat kaum Höhendifferenzen.
Am selbigen Spätnachmittag führt uns der Weg von Fiesch
nach Simplon Gulm, d.h. den Simplon-Pass hinauf, wo wir uns auf einem
entlegenen Bergsträßchen beim Suchen der Unterkunft Stoßstange
und Stabilisator an meinem Wagen abreisen. Aber halb so schlimm. Weiterhin
begegnen wir Oma Bates wieder, diesmal noch halbwegs lebendig. Die
90jährige führt hier alleine ein entlegenes Wirtshaus, wohin
sich hin und wieder mal Gäste verirren sollen. Da hier aber pünktlich
um 21.00 Uhr die Türen verriegelt werden und Omi diesbezüglich
nicht diskussionsbereit ist, wählen wir eine andere, wesentlich
komfortablere Herberge aus der Neuzeit.