Dolomiten Report 2005
5. Tag: Aufstieg zur Seekofelhütte Am morgen
ist das Wetter kaum besser. Der Regen hat zwar nachgelassen, aber die
Wolken hängen tief im Tal.Wir beschließen heute zur Seekofelhütte
in den Pragser Dolomiten aufzubrechen. Denn unser Ziel ist die Besteigung
des Seekofels. Dieser "einfach" zu besteigende Gipfel beindruckte
uns schon vor einigen Jahren, thront er doch herrschaftlich direkt über
dem Pragser Wildsee mit seiner steilen, konkav geöffneten Nordflanke.
Von Antholz aus sind wir mit dem Wagen ca. 30 Min. unterwegs und parken
auf einem der großen Parkplätze vor dem Hotel am See. Dieser
ist eigentlich immer ein beliebtes Touristenziel.
Bei
gutem Wetter ist der See und das Grünwaldtal Ausgangspunkt für
zahlreiche interessante unterschiedliche Tages- und Mehrtagestouren
in der Region. Besonders beliebt in den Pragser Dolomiten sind Herrstein,
Großer Roßkofel, Dürrenstein und eben der Seekofel
mit der Seekofelhütte. Die einfachste
Rundwanderung ist die um den See selbst, was hier für zahlreiche
Spaziergänger, Beinkranke usw. sorgt, da diese Runde locker auch
in Sandalen machbar ist. Beliebt auch bei schlechtem Wetter, wie heute.
Wir kämpfen uns durch das Touristengetümmel rechts um den
See herum. Viele dieser Leute sehen partout nicht ein, auch nur einen
Schritt zur Seite zu gehen und glauben, jeder hinter ihnen müsse
sich ihrer mäßigen Geschwindigkeit anpassen. Dazu wird lautstark
palavert oder per Handy telefoniert. Irgendwann biegen wir ab zum Talaufstieg
und lassen diese nervigen Leute hinter uns. Hier begegnen uns nur wahre
Bergfreunde, die, wie wir, die Ruhe zu genießen wissen und sich
selbst entspechend verhalten.
Leider
fängt es leicht zu regnen an, aber noch sind wir guter Dinge und
glauben an Wetterbesserung am Nachmittag. Sollten wir frühzeitig
die Hütte erreichen, werden wir noch heute den Seekofel besteigen,
insofern das Wetter mitspielt. Von der Idee sollen wir uns bald verabschieden.
Bald sind wir von Wolken umgeben. Am ersten Rastplatz, einer Weggabelung,
die wir dummerweise nicht als solche erkennen, machen wir uns dann fertig
für einen feucht-fröhlichen Aufstieg. Ziel für heute
ist dann nur noch die Hütte - die laut Angaben in nur 2,5 - 3 Stunden
vom Parkplatz am See aus erreichbar sein soll. Wenn man den kürzesten
Weg wählt.
Wir schlagen dummerweise den Umweg ein. Als wir dies bemerken, entschließen
wir uns nicht zur Umkehr,
um die wertvolle Höhe nicht wieder zu verlieren. Wind und Regen
nehmen zu. Der Weg führt uns bald über eine schier endlose
Felsplatte, die bei unserer Gehgeschwindigkeit viel Trittsicherheit
abverlangt. Sie ist nur so mit Spalten und Löschern durchzogen,
die im Laufe der Jahrmillionen durch Wasser ausgewaschen wurden. Bei
schönem Wetter würde es mir hier sehr gut gefallen, denke
ich mir so. Wenn mir aber langsam und stetig das Wasser durch Regenschutz
und Hose rinnt, vergeht mir der Spaß an solchen Unternehmungen.
Ich merke, dass es Stefan nicht anders geht, trotzdem muntern wir uns
gegenseitig auf und verkaufen uns den Tag als tolles Erlebnis, als "Eins
werden mit den Elementen" - dazu gehört eben auch die Erfahrung
mit Dauerregen.
Irgendwo
retten wir uns unter eine alleinstehende Tanne, die ewas Schutz bietet.
Denn ansonsten wächst hier oben nur Gras. Zur Nässe kommt
unweigerlich die Kälte. Daher legen wir jetzt den Speed-Gang ein.
Irgendwann bemerken wir, dass wir über einem langen Grat unterwegs
sind. Laut Karte muss er direkt zur Hütte führen. Mittlerweile
regnet es heftig - und durch den starken Wind auf dem Grat leider dazu
noch waagrecht. Ich spüre das kühle Nass bereits von oben
bis unten auf der Haut. Jetzt ärgere ich mich über das billige
Teil von Regenjacke und schwöre mir, dass dies heute ihr letzter
Einsatz war.
Die Wolken sind hier so dicht, dass ich Stefan 10 m vor mir kaum erkenne.
Wo bleibt sie denn nur, die Hütte? Plötzlich stehen wir direkt
vor ihr, so dicht ist der Nebel, dass wir sie erst unmittelbar aus der
Nähe erkennen können. Wir retten uns in den völlig überfüllten
Eingangsbereich. Weitere Wanderer pellen
sich hier aus ihren ebenfalls triefend nassen Klamotten. Zum Glück
habe ich hier bereits ein Zweibett-Zimmer vorbestellt. Die Hütte
- 1907 erbaut -, verfügt über Schlafräume unter dem Dach,
getrennt durch einfache Bretterwände, die mehr als Sichtschutz,
denn als Lärmschutz dienen. Wir beziehen unser Quartier und stellen
fest, dass der unbeheizte Dachboden keine Trockenmöglichkeit bietet.
Einzig trocken ist mein Ersatz-T-Shirt, -Unterhose und -Socken. Also
behalten wir die nassen Hosen und Pullover einfach am Leib,
damit diese in der beheizten Gaststube trocknen. Hier verbringen wir
den Spätnachmittag und Abend bei heißem Tee, Radlern und
einer lecker warmen Mahlzeit. Wir sind uns einig, dass diese Hütte
auf unserer Bewertungsliste einen der hinteren Ränge bekommt, denn
die sanitären Anlagen, Waschgelegenheiten und Schlafräume
lassen doch sehr zu wünschen übrig. Man scheint sich hier
darüber bewusst zu sein, dass auch ohne dieses Komforts die Hütte
aufgrund der einmaligen Lage immer gut besucht sein wird.
Die Nacht wird nicht angenehm, Kälte und Feuchtigkeit sitzt tief
in den Gliedern, zudem prasselt der Regen weiter heftig direkt auf das
Dach über meiner Coje. Doch dann wird es ruhig - und ich denke
noch so bei mir, dass es wohl zu regnen aufgehört hat. Ja, das
hat es sehr wohl.