Dolomiten Report 2005
4. Tag: Günther-Messner-Steig / Wälscher Ring in
den Aferer Geiseln Der Morgen ist bitterkalt, beim Blick aus dem
Fenster erwartet uns strahlend blauer Himmel, der Schnee von
gestern ist noch nicht weggeschmolzen. Die Camper vor der Hütte
sehen nicht gesund aus,
sie hatten sich eine laue Juli-Nacht zum Zelten wohl auch anders vorgestellt.
Aber sicherlich haben die Jung-Verliebten davon nix gemerkt. Wir genießen
ausgiebig unser Frühstück und starten heute frühzeitig
um 8.15 Uhr. Es erwartet uns eine tolle Wanderung bei ausgezeichnetem
fönigen Wetter.
Zunächst peilen wir den Hausberg der Schlüterhütte an,
den Zendleser Kofel (2422 m) um das Panorama auf die Aferer Geiseln
und die Geislergruppe gegenüber zu genießen. Zudem bietet
sich uns eine schöne Aussicht auf die Puez-Spitzen. Zu unseren Füßen
die Schlüterhütte und die Gampenalm. In der Ferne glauben
wir König Ortler zu erkennen. Zu den Aferer Geiseln gehts dann
zunächst mal auf dem Dolomitenhöhenweg Nr. 2 in Richtung Peitler-Kofel.
Der liegt jetzt direkt vor uns zum Greifen nahe. Weiß gezuckert
unter blauem Himmel wirkt er imposanter,
als im letzten Jahr bei Regenwetter. Wir überlegen, ob wir die
damals verpasste Besteigung des Hauptgipfels auf dem Weg mal schnell
nachholen sollen, besinnen uns dann aber, und sehen von einer Blitzbesteigung
ab. Denn auch auf der geplanten Route erwarten uns zwei weitere herrliche
Gipfel.
Bald verlassen wir den Dolo-Highway und folgen einem kleinen Pfad. Wir
sind wohl die ersten heute, noch keine Spuren im Schnee zu sehen. Der
schmale Pfad schlängelt sich kreuz und quer durch die Geiseln, teilweise
ist leichtes Kraxeln angesagt, aber ohne Schwierigkeit. Vor uns dann eine
Leiter, der Einstieg ist etwas luftig. Da wir erwarten, dass ab sofort
ein längerer Klettersteig beginnt, legen wir die Gurte zur Sicherung
an.
Unten angekommen stellen wir fest, dass dort der Wanderpfad weiterführt.
Also
nix mit Klettern. Wir folgen dem Pfad weiter, er führt auf der südlichen
Seite unter dem Grad entlang, so dass wir ständig Blick auf die Geislerspitzen
und das Villnößtal haben. Wir sind dann doch etwas besorgt,
als der Weg langsam aber stetig an Höhe verliert, haben wir doch
erwartet, dass der Günther-Messner-Steig eher direkt über den
Grad führt. Zudem dachten wir, dass die Vilnößer eher
mit einem Klettersteig, als einem Wanderpfad Herrn Messner huldigen würden.
Haben wir durch den Schnee eine Wegmarkierung und Abzweigung verpasst?
Die Karte gibt keine genauen Angaben hier.
Irgendwann geht's dann doch wieder bergauf. Inzwischen brutzelt die Sonne
schon heftiger, der Schnee ist fast verschwunden, bisserl feucht und matschig
bleibt's daher. Willkommene Abwechslung bietet eine
Kletterstelle durch eine Spalte hinab. Der letzte Aufstieg zur Großen
Ringspitze wäre dann normalerweise kein Hexenwerk. Heute macht mir
die geringe Höhendifferenz aber schon zu schaffen. Vermutlich liegt
mir das gestrige Schnitzel noch schwer im Magen. So lasse ich Stefan den
Vortritt und folge gemächlich, schließlich hat er 15 Kilo weniger
zu tragen.
12.20
Uhr: Oben erwartet uns dann ein sagenhaftes Panorama, die Große
Ringspitze auf 2625 m gibt die Aussicht auf den Peitler-Kofel und auf
den Alpenhauptkamm frei - heute bei fönigem Wetter haben wir eine
geniale Fernsicht. Im Osten sehen wir die Kreuzkofelgruppe, dahinter
die Conturines-Spitze, Tofane di Rozes und Pelmo, hinter den Puez-Spitzen
winkt Piz Boe
hindurch. Der Sas Rigais und die Geislerspitzen scheinen nur einen Steinwurf
entfernt, so klar ist die Sicht. Und im Südwesten sehen wir den
Schlern, im Westen vor uns den Tullen - unser
nächstes Ziel. Wir sind überwältigt. Aber "großer
Name - kleines Kreuz"! Obwohl es sich hier um eine dem Namen nach
"Große" Spitze handelt, ziert diese nur ein kleines
krummes Holzkreuzchen aus zwei Stecken gebastelt. Den kleinen Gipfel
teilen wir uns mit vier weiteren Wanderern, die wohl die östliche
Route für den Aufstieg gewählt haben.
Nach ausgiebigem Foto-Shooting, Pausensnack und Gipfel-Zigarette folgen
wir nördlich hinter dem Gipfel endlich einem Klettersteig hinab,
dann weiter direkt über den Grat - bis plötzlich
- zunächst wirkt es wie eine Fata Morgana - auf dem Grat ein nettes
Maderl in der Mittagssonne sitzt . Wir wechseln ein paar Worte und stellen
fest, dass Morgana schon ein ausgewachsenes einheimisches Maderl ist.
Die Bergwelt hält wohl jung - oder verklärt den Blick.
Der Weg führt hinab zum Fuße unseres heute dritten Gipfels
- dann durch eine sandig rutschige
Scharte hinauf, über Geröllfelder schließlich auf den
Gipfel des Tullen (2653 m). Bei schönstem Sonnenschein genießen
wir wieder lange die tolle Aussicht, die sich jedoch vom vorherigen Gipfelpanorama
kaum unterscheidet. Der Gipfel gehört diesmal jedoch uns alleine
- und bietet zudem ein professionelles Kreuz.
Doch
irgendwann müssen wir uns aufrappeln und den Abstieg antreten. Zunächst
wandern wir noch weiter Richtung Westen - der Weg ist gesäumt von
bizarren Felsformationen. Dann erreichen wir die Baumgrenze, wo wir noch
einmal eine letzte Pause in einer gemütlichen Almwiese machen, bevor
wir den Blitzabstieg wagen. Denn im Süden nahen die ersten Quellwolken,
für den Abend waren Gewitter angesagt.
Auf der Karte wirkt der Abstieg recht kurz, jedoch sind's vom Tullen
bis zur Zanser Alm, wo unser Auto wartet,
ganze 1000 Höhenmeter hinab. Die Knochen-Schinderei erwartet uns
dann auf dem Herrensteig,
der uns durch Wald und Wurzeln in Serpentinen hinab ins Tal stolpern
lässt. Dann - um 17:55 kurz vor dem Parkplatz läuft der Stevie
auf der letzten Rille und jammert: "I have entered a world of pain".
Hm, ich halte es wieder für seine üblichen Selbstgespräche.
Am Parkplatz sehen wir dann unsere Morgana wieder, sie muss den Weg
in entgegengesetzter Richtung samt Abstieg irgendwie im Eiltempo erledigt
haben - ja, so san's halt, die Alpen-Maderls mit ihra strrammen Waderl!
Über das Würzjoch fahren wir gen Pustertal und finden schließlich
am späten Abend nach endlosen Tornantis eine Bleibe in Antholz.
Inzwischen regnet es heftig. Die Wettervorhersage ignorieren wir erstmal.
Morgen wird's bestimmt wieder schön. Nach Pasta und Pizza - und
dem obligatorischen Whisky-Cola glauben wir ganz fest daran.