Dolomiten Report 2004

5. Tag: Tagestour: Peitlerkofel

Der Peitlerkofel (2875m) stellt eine Art Osterweiterung der Aferer Geiseln dar. Allerdings steht er relativ frei in der Gegend herum, was ihn zu einem knackigen Kandidaten für eine eintägige Peitler vom Würzjoch aus gesehenGipfeltour macht. Der kürzeste und bequemste Anstieg erfolgt vom Würzjoch aus. Die Fahrt von San Cassiano hierhin hat uns locker flockig eine dreiviertel Stunde gekostet. Rechnet man das späte Frühstück in der Pension dazu, wundert es nicht, dass wir heute keinesfalls die ersten Gipfelstürmer sind. Auf dem Weg vom Hotel über seichte Wiesenwege überholen wir einige Gruppen Gleichgesinnter, die beeindruckende Silhouette des Peitler stets zur Linken vor dem wenig beeindruckenden Grau des verhangenen Himmels.

Nach einem Weilchen wird der Weg enger und windet sich um einen Geröllhang auf die letzten Ausläufer der Aferer Geiseln zu. An seinem tiefsten Punkt wendet sich der Pfad nach links und Aufstieg zum Peitlerjochoffenbart ein enges Flusstal, das hinauf zur Peitlerscharte führt. Wir erfrischen uns am sprudelnden kalten Wasser, als uns ein älterer Signore anspricht. Die Unterhaltung gestaltet sich schwierig, da wir kein Italienisch sprechen und er weder Deutsch noch Englisch. Mit Händen und Füßen bringt er uns bei, dass er uns wohl am Sonntag ("domingo") in der Pala hat umherlaufen sehen. Da bestätigt sich die alte Theorie, die da sagt: die Welt ist klein und die alpine sowieso. Bis zum Gipfel seien es noch anderthalb Stunden. Wir lassen ihn ziehen, er ist einer von diesen zähen Gräten, die es stets schaffen, die in den Wanderführern abgedruckten Zeiten einzuhalten, weil sie niemals Pausen brauchen.

Schließlich erklimmen wir den wenig anspruchsvollen Pfad hinauf zur Scharte (2361m), wo eine Batterie von Holzbänken zur Nahrungsaufnahme einlädt. Der stramme, böige Wind lässt die Luft viel kälter erscheinen, als sie in Wirklichkeit ist. Nach ausgiebiger Erholungspause sind wir gut durchgefroren. Das ändert sich schnell, als wir uns nach Norden wenden und beginnen, die grünen Wiesen hinaufzutreten. Ein sehr einfacher aber anstrengender Weg, der in Serpentinen auf ein Plateau hinaufführt. Hier oben hat sich die steife Brise mittlerweile in einen ausgewachsenen Sturm verwandelt.

Manchmal muss ich mein ganzes Gewicht gegen den Luftstrom stemmen, um voranzukommen. Zur Rechten erwartet uns der Einstieg in den Klettersteig, der zum Hauptgipfel führt. Wir beschließen, Auf dem kleinen Gipfelzunächst den Nebengipfel ("Kleiner Peitler", 2813m) anzugehen. Der ansonsten einfache Weg wird heute zu einer spannenden Angelegenheit, muss man doch fürchten, ein hinterhältiger Windstoß könne einen einfach aus den Socken hauen. Geduckt kämpfen wir uns die seichte Rampe hinauf, stets mit respektvollem Abstand zuBlick nach Süden: Puezspitzen, Piz Duleda, Geislerspitzen allem, was irgendwie nach Böschung riecht. Endlich oben! Ich verkrieche mich in eine kleine Mulde zwischen Gipfel und einer Schneerolle am Westrand. Lange halten wir es hier nicht aus, die Finger sind bald kobaltblau vor Kälte. Zurück am Einstieg zum Hauptgipfel beraten wir uns. Auf dem Klettersteig sind wir dem Orkan wahrscheinlich nicht so sehr ausgesetzt, doch werden wir uns anschließend auf dem freistehenden Gipfel überhaupt halten können? Die Diskussion nimmt ein jähes Ende, als uns eine ganz besonders fiese Böe wortwörtlich von den Beinen reißt. Wir kauern ängstlich am Boden, bis es nach zwanzig oder mehr Sekunden endlich vorbei ist und wir wieder aufstehen können.

Zehn Jahre meines Lebens habe ich in Schleswig-Holstein verbracht und der "Blanke Hans" hat es nicht einmal geschafft, mich von den Füßen zu hauen. Da bestätigt sich schon wieder eine alte Theorie: nirgends ist das Klima garstiger als im Hochgebirge. Die Peitlerbesteigung ist somit storniert, wir kriechen vorsichtig zurück und erreichen glücklich die Aufstiegswiese, wo nur sporadisch ein strammes Lüftchen an das Inferno da oben erinnert. An der Peitlerscharte treffen wir auf eine andere Gruppe, die ihren Versuch ebenfalls abgebrochen hat. Man rechtfertigt sich gegenseitig seine Entscheidung. "Nö, das ging einfach nicht!" "Ist besser so!" "Ne ne, das wäre Wahnsinn gewesen!" "Oh Gott, meine Frisur!" Schade trotzdem. Auf dem Rückweg beginnt es zu regnen. In einer Trinkhalle kurz vor dem Würzjoch nehmen wir schon mal einen Kleinen auf den Schrecken. In jedem Fall war das ein heute ausgewachsenes Abenteuer - und dafür geht man morgens gerne aus dem Haus.


© Stefan Maday 9.4.2005

6. Tag: Tagestour: Heiligkreuzkofel (2908m)

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