Dolomiten Report 2004

2. Tag: Umrundung der Pala Südspitze - Abstieg nach San Martino di Castrozzo

Der Morgen startet gewohnt sonnig-wonnig, im Unterschied zu gestern morgen spüren wir allerdings, was unsere nicht mehr ganz taufrischen Gebeine am Vortag alles geleistet haben. Nach dem Colazione erwartet mich eine unangenehme Überraschung: meine Schuhe sind noch immer klatschnass. Dem kleinen Ofen, in dessen Peripherie ich sie gestern abend geparkt hatte, ist wohl relativ bald der Sprit ausgegangen und daher weiß ich jetzt, wie es sich anfühlt, an einem kalten Morgen mit frischen Socken in nasses Schuhwerk hineinzugleiten.
Unser geplantes Tagewerk düfte kurz aber anstrengend ausfallen. Nach einem Abstieg bis hinunter Blick von der Pradidali nach Südenzur Baumgrenze erwartet uns ein 800Hm-Anstieg über den Sentiero dei Cacciatore in Richtung Velo della Madonna-Hütte (2752m). Das Hinunter geht zügig von dannen, freudig registrieren wir, dass die beliebten Schneefelder immer seltener werden und bald fühlen sich meine Füße wieder warm und trocken an. Nach einer Dreiviertelstunde erreichen wir einen ausgetrockneten Bachlauf, die blendend hellen Dolomitbrocken stechen im Schein der Sonne aus dem Grün des Kiefergestrüpps hervor. Ich bemühe mich tunlichst, mein Gesicht und meinen Nacken von der Sonnenstrahlung fernzuhalten.

Nicht weit von der 4-Wege-Kreuzung steht eine Sitzbank und lädt zum Brunch. Vor uns im Westen erhebt sich beeindruckend die Wand, die wir bezwingen müssen. Zwei Männer nähern sich unserem Sentiero dei Cacciatore - die WandRastplatz und machen einen bekannten Eindruck: es sind die beiden Schwaben von der Rosetta-Hütte! Sie waren tatsächlich auf dem Gipfel der Vezzana. Sie kennen auch unseren Weg zur Madonna-Hütte und meinen, die ersten 200Hm seien die anstrengendsten und darauf folge easy going. Michael ist nicht so zuversichtlich, er meint, das könne uns konditionell überfordern. Das weiß man erst, nachdem man es probiert hat. Während die beiden Schwaben talwärts ziehen, überqueren wir den Bachlauf und beginnen den Aufstieg.

Der erfolgt anfangs über eine enge, steile Schotterpiste. Der prallen Vormittagssonne ausgesetzt wird die Sache zu einer ziemlichen Tortur. Nach etwa 200Hm erreichen wir das obere Ende des Schotterrinne. Vor uns sehen wir ein Stahlseil gespannt. Von rechts oben fliegen plötzlich kleine Geschosse heran. Hier können wir auf keinen Fall stehenbleiben. Michael meint, er fühle sich zu schlapp für den weiteren Aufstieg und möchte lieber umkehren. Meine Gegenwehr ist dieses Mal nicht besonders groß - die Aussicht auf irgendwelche halbverschneiten Klettersteige im Nebel hat mich von Anfang an nicht besonders angetörnt. Stickum steigen wir die Piste wieder hinunter zu unserem lauschigen Rastplatz. Dort fassen wir den Entschluss, ins Tal nach San Martino abzusteigen und damit der Pala Arrivederci zu sagen - wenigstens für dieses Jahr.

Über den Abstieg gibt es nicht viel Spannendes zu berichten, außer dass der Höhenweg sich endlos und mit nur wenigen großartigen Aussichtsmöglichkeiten latexmäßig in die Länge zieht. Mit müden Beinen erreichen wir am späten Nachmittag schließlich San Martino di Castrozza. Keine Minute zu früh, denn kaum hat Michael den Wagen geholt, geht ein heftiges Gewitter über uns ab.


© Stefan Maday 9.4.2005

3. Tag: Vom Grödner Joch zur Puez-Hütte

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