Die Alpbach Chronik 1999
31.08.1999 Lämpersberg (2202m)
Da bin ich wieder und sitze zwischen den Kühen am Nordhang
des Lämpersberges, ungefähr an der Stelle, an der
ich vor vier Tagen aufgegeben habe. Heute ist prima Wetter, die
Sonne brennt und ich habe genügend Zeit.
Diesmal bin ich von Inneralpbach losgegangen, durch den Lueger Graben.
Ein Schild weist den Wanderer (ganz dezent) darauf hin, daß hier gerne
rumgeballert wird. Seitdem bemühe ich mich, im Rahmen meiner Möglichkeiten,
nach außen hin wie ein menschliches Wesen aufzutreten.
Nach einer Weile zweigt links der Pfad zur Jagdhütte ab und führt weiter
durch den Wald bis zur Feldalm. Nun liegt der Gipfel keine 300m mehr
über mir, wie weit wirklich entfernt, kann ich nicht sagen. Die Erfahrung
hat mich jedoch gelehrt: Höhenmeter sind Hundemeter (Regel 5).
Es ist ein sehr steiler und anstrengender Anstieg, bis der Pfad
wieder auf einen Kamm mündet. Von hier aus kann ich endlich das
Gipfelkreuz sehen, aber auch den pechschwarzen Himmel über der
Wildschönau im Osten. Es verstößt zwar gegen alle Regeln
der Meteorologie, aber das Unwetter scheint tatsächlich zu mir
herüberzuziehen.
Doch vorläufig bin ich noch guter Dinge.
Es läuft sich jetzt schön gemütlich vorbei an kleinen Weihern
und Hügelgräbern, zur Linken geht es abrupt in ein kleines
Tal mit zwei Bergseen hinunter, "Kreuzlacke" und "Schwarze Lacke",
laut Wanderkarte.
Der Gipfel ist plötzlich kaum noch zu erkennen, Nebelschwaden
wabern von Nordosten über den Grat. Das war es dann wohl!
Gedanken schießen mir durch den Kopf: soll ich da überhaupt noch
hoch? Bin ich ein Regengott? Vielleicht bezahlt mich dann im
nächsten Jahr jemand dafür, daß ich nicht nach Tirol komme.
So kurz vor dem Ziel will ich die Sache auch zu Ende bringen,
bald zweigt rechts ein Pfad zum Kleinen Beil ab, der Hauptweg
wendet sich nach Osten und steigt wieder steiler an.
Die letzten 50m schaffe ich
auch noch und stehe alsbald im kalten Nebel, der in Fetzen
von einer steifen Brise über den Kamm gefegt wird.
Eigentlich wollte ich es mir hier oben so richtig bequem machen.
Die Sonne genießen und einen Brief schreiben. So bringe ich mein
obligatorisches Gipfelglück (Ei, Zigarette, Foto) im Akkord hinter mich, tue dem
Gipfelbuch meinen Frust kund und steige wieder ab, immer in der Hoffnung,
daß es in den nächsten zwei Stunden wenigstens trocken bleibt.
Beim Abstieg treffe ich auf ein Rudel Ziegen (oder Gemsen?), die
sofort Reißaus
nehmen, noch bevor ich "Huah" rufen kann. Erstaunlich, mit welcher
Schnelligkeit und Geschicklichkeit diese Tiere mit ihren knorrig
wirkenden Stelzen selbst steile Felsen hoch- und runterrennen.
Dafür können sie augenfällig nicht mit Messer und Gabel essen, geschweige
denn ein WC benutzen.
Mehr gibt es nicht zu
berichten, außer daß in Alpbach bei meiner Rückkehr wieder die
Sonne scheint.
Fazit: ein sympathischer Berg, hat aber wohl ein kleines
Klimaproblem.
Unterhaltungswert:
Schwierigkeitsgrad: