Die Alpbach Chronik 1999
22.09.1999 Über den Lämpersberg zum Kleinen Beil (2196m)
Mittwoch Mittag, wieder ein Tag im Paradies. Solch einen September
hat es in Mitteleuropa wahrscheinlich noch niemals vorher gegeben.
Da kann gar nichts schiefgehen, wenn ich gleich zum dritten Male
den Lämpersberg hochstürmen werde.
Ich nehme den bewährten Weg durch den Lueger Graben, der Senioren-
Highway bringt mich bis zur Jagdhütte. Durch ein steiles Waldstück
geht es auf das Plateau unter dem Lämpersberg auf 1800m Höhe.
Kurz vor der Feldalm pausiere ich in der "Kuhle", einer meiner
absoluten Lieblingsstellen. Hier hat sich ein Bach mehrere Meter tief in
den Berghang gegraben. Das Wasser kann man bedenkenlos trinken.
Tue ich auch, denn mein Mitgebrachtes brauche ich für
die trockenen Gipfelregionen.
Die Feldalm ist inzwischen verwaist, die Kühe sind bereits dem
allgemeinen Abtrieb zum Opfer gefallen und demnächst an der
Fleischtheke erhältlich. Ich werde mir andere Gesprächspartner
suchen müssen.
Am Nordwesthang des Lämpersberges kommen mir einige Wanderer
entgegen. Ich haue mich erst mal in die Sonne und lasse sie
alle passieren. Eine Frau beklagt sich bei mir, der Weg sei
furchtbar steil und sie hätte sich kaum herunter getraut bei
ihrer Höhenangst. Kommt mir bekannt vor und ist doch schon so
lange her.
Auf dem Kamm angelangt, kann der Puls sich beruhigen und
der Schweiß trocknen. Heute genieße ich hier zum ersten Mal eine
astreine Aussicht. Die gesamte Wildschönau
liegt zu meinen Füßen. Die haben zwar den gleichnamigen
Schiefer erfunden, aber die Berge vom Alpbachtal geklaut. Da
gibt es eine Gratlspitze für Arme und ganz viele Schatzberge
(Gott bewahre!).
Kurz vor dem Gipfel beschließe ich, erst einen kleinen Abstecher nach
Süden zu machen. Dort funkelt der Kleine Beil vor mir in der Sonne, wie weiland
sein großer Bruder, als ich in der Waschküche vom Sonnjoch stand.
Ein schmaler Grat trennt den Kleinen Beil vom Lämpi. Die tiefste Stelle des
Sattels liegt an die hundert Meter unter den beiden Gipfeln. Oh, welche Verschwendung
von potentieller Energie, besonders bei diesem Wetter!
Also geht es zunächst steil bergab, der Weg ist teilweise
schwer zu finden, da nur sporadisch markiert. Dort, wo
der Hauptweg direkt über den nackten Grat führt, haben
vorsichtigere Zeitgenossen alternative Pfade ein paar Meter
unterhalb ausgetreten. So muß man sein Schicksal nicht unbedingt
jedesmal herausfordern. Ich denke an einer Abzweigung gar nicht
lange nach, sondern entscheide immer spontan nach
gusto (bzw. gutso).
So erreiche ich nach einigen Anstrengungen den Gipfel des
Kleinen Beils. Für die 800m Luftlinie habe ich gute 20 Minuten
benötigt, das macht im Schnitt knapp 2.5 km pro Stunde bei einem
geschätzten Verbrauch von einem Glas Alpenvollmilch.
Da hier oben kein Gipfelkreuz ansteht, setze ich mich auf den
Felsbrocken, der alle anderen um Zentimeter überragt und
bin dadurch Mitglied im exklusiven Club der Bezwinger des
Kleinen Beils.
Als solchem offenbart sich mir gratis ein phänomenales
föhngestütztes Panorami. Großglockner und Großvenediger nach
Süden hin, im Osten erhebt sich eindrucksvoll die harte
Silhouette des Großen Rettenstein (2362m), neben dem Galtenberg
einer der wenigen markanten Gipfel der Kitzbühler Alpen.
Nach Süden setzt sich der Pfad fort, dort lockt der Grat über
den Seekopf (2187m) und das Beilschartl zum Großen Beil. Prinzipiell
kann man also vom Schatzberg bis zum Sonnjoch in einer Tour
durchlatschen. Das sind 10 km, die einem vorkommen müssen wie 50.
Den Großen Bruder muß ich mir heute leider schenken, dafür ist
die Zeit zu knapp. Ich werde erst einmal zurück auf den Lämpersberg
klettern. Unterwegs begegnet mir eine Herde Schafe. Sie rennen
munter über den Grat vor mir davon, als ich mich keuchend und
trampelnd nähere.
Auf dem Gipfel des Lämpersberges treffe ich sie wieder.
Diesmal werde ich diplomatischer vorgehen. Langsam schleiche
ich mich auf die quasistatische Tour an sie heran.
Sie sehen mich zwar, betrachten mich aber nicht als Bedrohung.
Vielmehr bleiben sie cool stehen
und fressen weiter. Auch das Surren des Auslösers entlockt ihnen
kein müdes Lächeln, sie lassen sich geduldig wie Kühe
fotografieren.
Nach einer Weile stehe ich mitten unter ihnen. Sie ignorieren
mich nicht weiter, sondern werden neugierig auf mich.
Einige kommen auf mich zu. Jetzt wird mir etwas mulmig zumute. Für solcherlei
Vertraulichkeiten bin ich ungern zu haben. Was, wenn plötzlich eine Panik
ausbricht? Der Gipfel ist nicht sonderlich breit. Die amok laufenden Pullover
könnten mich bei ihrer Flucht mal eben ins Tal runter kicken.
Ich erreiche die Sitzbank, lasse mich nieder zum Essen und Piefen.
Die Schafe haben allmählich das Interesse an mir verloren
(was mache ich nur immer falsch?) und dackeln langsam wieder
talwärts. Nur ein einziges Schaf, mit pechschwarzem Kopf, ich
halte es für den Boss der Truppe, liegt vor meinen Füßen
rum und kaut genüßlich an einem Grashalm. Wir tauschen einige
Wandertips aus und prahlen mit unseren Damengeschichten,
dann muß auch der Boss weiter.
Ich mache mich ebenfalls bald auf die Socken. Um Langeweile
vorzubeugen, steige ich diesmal über den Nordosthang ab. Ein
Grat führt hinab bis zum Steinernen Mandl, von dort geht es
steil runter auf das Plateau mit den beiden Bergseen,
Kreuzlacke und Schwarze Lacke, die sich
von Nahem als schmuddelige Tümpel erweisen. Hier scheint niemals
die Sonne, der Weg ist matschig und eklig. Schließlich
geht es sogar wieder bergauf, nervtötend, wenn man mental
schon auf Abstieg programmiert ist.
Einmal um den Lämpersberg herum marschiert, lande ich wieder
auf dem Sattel zum Saupanzen. Runter über die Feldalm, Almsteig,
Sternbodenalm, bla bla bla. Gesamtzeit, von Inneralpbach aus: 7h
Fazit: nette Tour, der Abstecher zum Beil bringt Nervenkitzel, der
zu den Seen Mückenstiche
Unterhaltungswert:
Schwierigkeitsgrad: