Dolomiten Report 2004

4. Tag: Puezhütte - Sassongher (2665m) - Grödner Joch

Die Amis müssen gestern eine übermenschliche Tour hinter sich gebracht haben, denn sie schlafen immer noch, als wir unsere Zimmer räumen und uns zu neuen Taten aufraffen. Die Puez-Spitzen (2913m) stehen als erstes auf unserer heutigen Wunschliste. Wir stiefeln den feuchten Südhang des Schwarze Schafe am PuezkofelPuezkofel hinauf und erreichen bald ein komfortables Aussichtsplätzchen oberhalb der Hütte. Hier gibt es wie vielerorts ein paar schwarze Schafe. Um den knubbeligen Gipfel des Kofel herum führt der teilweise recht enge Pfad, auf dem wir hier und da noch die Hagelernte von gestern bewundern dürfen. Der Blick auf die Puez-Spitzen bleibt uns verwährt, eine dicke Wolke hat es sich über dem Doppelgipfel bequem gemacht und scheint sich gar nicht mehr verziehen zu wollen. Im Gegenteil: vom Tal her zischen Nebelfetzen mit atemberaubendem Speed zu uns herauf.

Da wir heute noch eine lange Tour vor uns haben und wenig Zeit, um auf dem Gipfel schönes Wetter abzuwarten, beschließen wir den Abbruch der Besteigung und kehren zur Hütte zurück. Dort schnappen wir unser Gepäck und folgen dem Weg Nummer 5, der in südöstlicher Richtung über die Gherdenacia-Ebene führt, eine Einöde, die vom hässlichen Kegel des Col dala Sonea ("Monte Bochum") beherrscht wird. Der eigenartige Härtling erinnert eher an eine aufgeschüttete Kohlenhalde als an einen rechtschaffenen Dolomitenberg.Sassongher von Norden Hinter dem Passo Gherdenacio treten wir einen verschneiten Hang hinauf und bemerken voller Ungeduld, dass wir immer noch ein gutes Stück vor uns haben. Ein langer, steiler Abstieg bringt uns zu einem Sattel, der unterhalb des Gipfels gelegen einen kanonischen Rastplatz darstellt. Hier zweigt auch der Weg hinunter nach Kolfuschg ab. Der Berg liegt seit einiger Zeit im Nebel, doch nachdem wir so weit gekommen sind, wollen wir auch die letzten Meter in Angriff nehmen.

Nach ein paar sandigen, mit Baumstämmen abgesicherten Metern beginnt der Einstieg in einen Klettersteig. Wir legen das obligatorische Kletterzeug an und stehen mit dieser Maßnahme Beweisfoto ziemliche alleine da. Eine Gruppe US-Bürger stürmt "unten ohne" an uns vorbei. Zurecht, denn der Kletterspaß ist bereits nach zwei Minuten beendet. An haarigen Abgründen vorbei führt der Weg auf eine Geröllrampe. Wir ärgern uns, die Stöcke am Einstieg zurückgelassen zu haben und treten uns auf den Gipfel hinauf.Blick auf Kolfuschg Von der anfangs erhofften Aussicht ist nichts zu sehen - nur sporadisch gibt das Wolkenmeer hier und da einen Blick auf das 1000m tiefer gelegene Kolfuschg frei. Schade wegen des Wetters, denn dieser Berg hat trotz seiner mäßigen Höhe etwas Grandioses an sich. Eine von zwei etwas reiferen Damen aus dem Allgäu schießt unser Beweisfoto. Die Mitglieder einer italienischen Expedition erreichen nach und nach den Gipfel. Man küsst und beglückwünscht sich zu der erfolgreichen Besteigung mittels Händedruck. Dieses Ritual wirkt so professionell, dass Michael und ich beschließen, derlei auch ab dem nächsten Gipfel zu praktizieren - abgesehen vom Knutschen.

Der Abstieg führt wieder über den Nordwesthang. In einem kleinen Firnfeld am Wegesrand ist das Wort "BEER" zusammen mit einem Pfeil in Richtung Tal eingraviert, dem wir gerne folgen. Vom Sattel bringt uns ein mühsamer Abstieg bis beinahe hinunter an die Baumgrenze. Leider sind wir hier Blick zurücknoch ein mächtiges Stück vom Grödner Joch entfernt. Jede lange Tour hat ihren Punkt, an der die Quälerei beginnt und man sich nichts sehnlicher wünscht, als an ihrem Ende zu sein. Eine Skipiste hinauf, durch ein Kiefernwäldchen. Es beginnt immer wieder zu regnen. Am gegenüberlegenden Ende des Tals baut sich die gigantische Sella auf. Allmählich erreichen wir die Höhe des Val di Mezdi. Nur nicht denken. Immer einen Fuß vor den anderen setzen. Der Pisciadú-Klettersteig. Das Val Setus. Wirkungsstätten vergangener Jahre. Endlich das Grödner Joch. Das Auto ist noch da und hat den gestrigen Meteoritenschauer schadlos überstanden. Wir fahren noch heute die wenigen Kilometer hinüber nach Alta Badia, wo wir uns für die beiden letzten Tage in San Cassiano einquartieren wollen.


© Stefan Maday 9.4.2005

5. Tag: Tagestour: Peitlerkofel

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