Wallis Report 2008
Tag 11: Wandern aufs Sparrhorn (Aletsch)
Ausgangspunkt: |
Blatten, Belalp |
Höhendifferenz: |
927 m |
Dauer: |
6 h (inkl. langer Alm- und Gipfelpausen) |
Wir verlassen nun unser Domizil im Saastal und haben heute eine besondere Region
im Blick. Den Aletschgletscher und seine Bergwelt haben wir im vergangenen
Jahr bereits vom Eggishorn bestaunen können. Heute möchten wir uns
einen Blick aus anderem Winkel in diese herrliche Arena gönnen und dies
gleichzeitig mit einem bequemen Gipfel verbinden. Als weiteren tollen Aussichtsbalkon
haben wir das Sparrhorn ausfindig gemacht. Nach unseren gestrigen Strapazen
ist uns dieser Familienberg heute sehr willkommen. Ausgangspunkt für die
Besteigung hoch über dem Oberaletschgletscher ist die Belalp oberhalb
Blatten im Oberwallis. Bis hierin bringt uns der Sessellift. Von der Belalp
geht’s gemächlich auf markiertem Weg zum urigen Hotel Belalp, welches
bereits seit 1885 Touristen am Rande des Aletschbords beherbergt.
Unser Gipfelziel stets bestens im Blick, führt uns der Aufstieg weiter über
tolle Bergweiden, wo uns Kuh und Ochs häufig neugierig beäugen oder
gar den Weg versperren. Zudem ist nun äußerste Trittsicherheit notwendig,
denn nur ein Fehltritt könnte bedeuten, in einen noch kuhwarmen Pfladen
zu dippen. Wir erreichen auf halber Höhe die kleine Kapelle und das Tyndall-Denkmal,
das zu Ehren des irischen Physiker John Tyndall hier errichtet wurde und sich
weithin sichtbar auf einem Felsbuckel am Wegrand erhebt. Dreisig Jahre lang
ging er hier wohl jeden Sommer seinen Gletscherforschungen nach und stellte
unter anderem als erster fest, dass Eis unter Druck schmilzt.
Was uns heute zu schaffen macht, sind nicht die Höhenmeter,
sondern die Sonne und die hochsommerliche Temperatur bei hoher Luftfeuchtigkeit.
Das riecht geradezu nach Gewitter. Die Aussicht wird nun mit jedem Meter gigantischer.
Und die Alpenflora scheint uns mit jedem Schritt bunter und vielfältiger
zu werden. Über ein idyllisches Bächlein hinüber, wo wir unsere
aufgebrauchten Wasservorräte auffüllen müssen, geht es dann
sobald steiler zu dem auf das Sparrhorn führenden Grat hinauf, oben über
den Grat dann wieder weniger steil und einfach haben wir nun den Gipfel nun
ganz nach vor uns.
Die markierten Wegspuren führen in die geröllreiche Flanke südlich
des Gipfelkamms. Markierungensind hier nicht mehr notwendig, denn am vielbesuchten
Aussichtsgipfel haben sich zahlreiche Steigmöglichkeiten ausgetreten,
die direkt oder in kleinen Serpentinen zuletzt etwas steiler zum Gipfel führen.
Hier
lässt nun das Panorama keine Wünsche mehr offen. Gen Osten
fällt der Blick auf den Grossen Aletschgletscher, trotz Rückzug immer
noch ein elf Kilometer langer und zwei Kilometer breiter Gletscher¬strom,
der in seiner halben Länge bestaunt werden kann. Gegenüber grüßen
auch zwei alte Bekannte vom vergangenen Jahr: Bettmerhorn und Eggishorn. Weiter
blicken
wir auf die ganze Hochgebirgswelt im Grenzgebiet der Kantone Wallis
und Bern.
Weit
unten ist die Oberaletschhütte erkennbar, wo sich der schuttbedeckte Gletscher
um das Grosse Fusshorn windet. Ganz nah auch das 4193 Meter
hohe Aletschhorn. Jenseits des Rhonetales grüsst der Simplonpass, weiter
nach rechts steigen vom Mattertal und vom Saasertal die gleissenden Gipfel
der schon bekannten Viertausender Fletschhorn, Dom, Matterhorn und Weisshorn
auf, die aus dieser Perspektive nun wieder ganz anders wirken.
Das Sparrhorn ist eigentlich kein richtiger Gipfel, sondern nur die vorderste
Erhebung eines langen Grates. Für die Touristen der Belalp hat man hier
halt einen Marketing-Aussichtsgipfel mit Aletschblick geschaffen. Auch heute
tummeln sich hier die Wanderer und finden kaum einen Sitz- und Rucksackplatz
auf der wenig geräumigen Fläche unterm Gipfelkreuz. Zudem haben wohl
Ziegen oder Schafe zuvor den Gipfel erstürmt und sich hier vermutlich
vor Anstrengung ausgiebig erleichtert. So findet man kaum einen Stein der nicht
mit Exkrementen markiert wurde.
Irgendwann räumen wir den ergatterten kackfreien Sitzplatz und treten
den Rückweg auf der Aufstiegsroute an. Jetzt stürmen uns auch schon
massenhaft Spätaufsteher entgegen, so macht’s uns dort eh keinen
Spaß mehr. Auch Smirgol dappt mit sich selbst brabbelnd vorüber,
vielleicht hat der arme Wicht auch einfach nur einen Stich bei dieser brühenden
Mittagssonne bekommen.
Weiter unten entblößen wir unsere immer noch weißen Bäuche,
um unserer inzwischen deutlichen Nato-Bräune – braune Arme, Gesicht
und Nacken, Rest weiß – entgegenzuwirken. Das rauschende Bächlein
sorgt für die nötige Abkühlung während des Sonnenbades.
Bis zur Belalp schlendern wir später gemütlich zurück und verlassen
das Dörflein Blatten schließlich in Richtung Grimselpass, den wir
dann bei Schauer und Gewitter im Blindflug überqueren, Ziel: Grindelwald.
Denn für den letzten Tag nehmen wir uns die Eiger-Nordwand vor!
© Michael Breiden 2011
www.alpenreport.de
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