Wallis Report 2008

Tag 10: Besteigung des Hübschhorn (3192 m)
Ausgangspunkt: Simplonpass, Kulm, Hospiz
Höhendifferenz: 1186 m
Dauer: 10 h (inkl. Gipfelpausen)

Idylle am SimplonpassNachdem wir in Zermatt unser Bergbahnenbudget vollends ausgeschöpft haben und uns heftigstem Touristentrubel ausgesetzt haben, wählen wir heute ein völlig abgelegenes, einsames Ziel weitab der Touristenströme, ohne Gondeln, ohne Imbiss- und Souvenirbuden. Nach - wie immer - reichhaltigem Frühstück bei Susan starten wir in aller Herrgottsfrühe, das Saastal hinab ins Walliser Haupttal nach Tagesziel: HübschhornBrig, von dort den Simplonpass hinauf, vorbei an uns aus 2007 bekannten Übernachtungsstätten bis hin zum Hospiz auf 2006 m in Simplon Kulm. Im vergangenen Jahr bestiegen wir von hier aus recht abenteuerlich das Wasenhorn, obwohl uns hier ausreichend Karten und Bergführer zur Verfügung standen, waren wir hier beim Abstieg in eine missliche Lage geraten.

Schotter ohne EndeHeute liegen uns zum Hübschhorn noch nicht einmal Tourbeschreibungen vor, lediglich 5 Zeilen von Löööschner Goedeke, der erfahrungsgemäß bei solch magerer Ausführung auch auf diesen Berg niemals einen Fuß gesetzt hat. Heute lassen wir uns überraschen. Das Wetter ist uns hold, so steiler Aufstiegdurchqueren wir zunächst vom Hospiz aus über gute Pfade und Feldwege einige bewirtschaftete Almhöfe im breiten ebenen Hochtal zum Fuße des Hübschhorns. Den Einstieg des schmalen Serpentinenpfads erahnen wir von Weitem, Wegweiser gibt es nicht, Markierungen sind spärlich, wir orientieren uns an Karte und Höhenprofilen, lt. Goedekes Kurzanleitung Blick auf die BernerÜber dem Simplonpassfolgt der Weg immer dem breiten Westrücken hinauf bis zum Vorgipfel. Zunächst recht steil erreichen wir schnell die Baumgrenze, dann mäßig steil weiter über weglosden Graspfad vorbei an Latschenkiefern. Bald lassen wir auch diese spärliche Vegetation hinter uns, kämpfen uns nun zunehmend steiler über das zunehmend geröllige Weglein. Das kostet Schweiß, Sonne und Hitze machen zu schaffen. Und die baldige Suche nach Markierungen. Denn nun geraten wir vollends in Geröll und Blockwerk und müssen uns auf ganz wenige kleine Steinmännchen und längst verblasste Farbtupferl verlassen, die leider nur vereinzelt überhaupt noch auszumachen sind.

Weismies-OstwandDas Hübschhorn scheint tatsächlich ein einsamer Berg zu sein, Menschen hatten wir zuletzt am Pass gesehen. Ob in diesem Jahr überhaupt schon jemand hier oben war? Irgendwanneinsamer Grat Simplonpass und Rhonetal mit Bernerverlieren wir den Pfad oder können ihn einfach nicht mehr ausmachen, auch Steinmännchen lassen uns in Stich. Oben vermuten wir den Vorgipfel, so dass die Richtung klar ist. Inzwischen sind Wolken aufgezogen und lassen die gewählte Aufstiegsroute zum Hübschhorn eher bedrohlich wirken. Nun geht’s über wildes Blockwerk weiter, dazwischen immer wieder Schneefelder, die uns aber schneller voranbringen. Allerdings wird es teilweise steil und rutschig im feuchten Geröll. Doch keine Markierungennun können wir am Vorgipfel oben wieder etwas Pfadähnliches ausmachen. Die einzig mögliche Verbindung dorthin führt nah am Grat entlang, eine Engstelle erfordert Blockkletterei im steilen Geröll. Danach wird es etwas sanfter, aber noch lange ist der Westgipfel nicht in Sicht, das war eher der Vorvorgipfel. Der schwierige Teil liegt hinter uns und irgendwann erreichen wir doch noch den recht breiten Westgipfel, der durch einen riesigen Steinhaufen markiert wird. Etwas erschöpft pausieren wir hier.

WestgipfelDie Sicht ist mäßig, leider keine Belohnung für die Strapazen. Doch noch scheint uns das Wetter stabil.holpriger Gipfelgrat der einsame OstgipfelIm Westen erkennen wir die Ostflanken von Lagginhorn, Fletschhorn und Weissmies. Im Süden einige uns unbekannte italienische Berge. Im Norden späht das Wasenhorn gelegentlich durch das Wolkenband vor der Kulisse der Berner Alpen. Der Monte Leone, höchster Gipfel der Region, mit seinem langen vergletscherten Westrücken lässt sich mehr erahnen. Östlich erspähen wir den Hübschhornhauptgipfel mit Kreuz - der uns noch ewig entfernt scheint - lt. Führer sind es ganze 450 m bis dorthin über schmalen Grat. Dieser wird bald schmal und luftig, vorbei geht’s an der steilen Südflanke, ebenso tief blicken wir im nächsten Moment die Nordwände hinab. Jetzt ist Kletterei angesagt, auf und wieder ab über kleine luftige Gipfelchen. BoulderingBoulderinggrandiose TiefblickeNach 30 Min. erreichen wir nun auf ganz, ganz schmalem Grat das Gipfelkreuz. Zuletzt fast schlecht zugänglich und auf schrägem unbequemen Gipfelfelsblock Gipfelziel Hübschhorn montiert bietet es kaum Platz für 2 Personen, die gerne eine gemütliche Rast am Höhepunkt zelebrieren. Auch das Wetter macht es ungemütlich. Denn die Sicht ist hier gleich null, so dass wir nach einigen Beweisfotos kurzerhand den Rückweg antreten. Wir vermuten, dass wir nicht trocken ins Tal gelangen.

WasenhornZurück über Grat und Westgipfel, dessen Westrücken hinab, wählen wir Blick auf die Berner Alpenunterhalb der Engstelle am Grat eine etwas andere Abstiegsroute, die uns von oben betrachtet sicherer erscheint. Tatsächlich ist diese weniger rutschig und steil über festes Blockwerk. Irgendwann sichten wir wieder Steinmännchen und unsere alte markierte Aufstiegsroute. Der Rückweg zieht sich am Nachmittag noch recht lang dahin, der kräfteraubende Aufstieg von fast 1200 Höhenmetern wird jetzt beim Abstieg schmerzlich spürbar. Doch was bleibt uns übrig. Wir quälen uns irgendwann die letzten Meter hinab, stolpern fast über die Almpfade lechzend zum rettenden Wagen zurück. Denn zuletzt geben wir noch mal alles, weil von Brig her düstere Wolken und eine deutlich sichtbare Regenfront den Simplonpass herauf kriecht. So werden wir nur beim Umziehen nass. Später zurück in Saas Grund kredenzt uns Susans Pizzabäcker eine leckere Belohnung, meine natürlich mit Olio-Picante. Fazit: das Hübschhorn ist kein Wandergipfel, ist nicht wirklich hübsch, die Besteigung ist nur für Geübte zu empfehlen, Kondition notwendig. Wer den einsamen Berg sucht, ist hier richtig.


© Michael Breiden 2011

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