Wallis Report 2008
Tag 2: Chilchhorn 2789 m und Hammer 2747 m
Ausgangspunkt: |
Ulrichen, Nufenenpass-Straße |
Höhendifferenz: |
300 m |
Dauer: |
9 h (inkl. Pausen und Wegsucherei) |
Wieder
am Nufenenpass haben wir heute den 3000er Pizzo Gallina im Visier. Angeregt
von Freund
Goedeke und seinen Erzählungen über einen schnittigen
Klamottengrad starten wir vom Nufenenpass aus nichtsahnend zunächst zum
Chilchhorn. Der Pass macht einen sehr verwaisten Eindruck, bis auf einen einsamen
Schwarzamerikaner begegnet uns hier kaum eine Menschenseele am frühen morgen.
Das kleine Passgipfelchen Chilchhorn erweist sich nach kurzer Kletterpassage
als toller Aussichtsfelsen aufs Bättelmatthorn, Füllhorn & Co.
im Westen sowie ins Lengtal und auf Mittaghorn und Pizzo Gallina im Osten
(welcher der Gratgipfel nun wer war, wissen wir allerdings nicht).
Die
kleine Kletterpassage hinab vom Chilchhorn mag Kurzbeinigen eventuell Probleme
bereiten. Wir meistern diese Schlüsselstelle jedoch gekonnt
(trotz der kurzen Beine eines Teammitglieds, welches hier ungenannt bleiben
möchte) und folgen einem unmarkierten Pfad über
den herabkommenden Grat - über
mächtige
Steinplatten und Felsbrocken teilweise kletternd nordwärts. Wir erreichen
nun breite Moränenfelder und queren
zahlreiche Schneefelder, zunehmend wird der Pfad unkenntlich,
ebenso die alten Spuren
im Schnee, so dass wir uns nur noch an Himmelsrichtung und Gelände orientieren
bis wir schließlich
die von Goedeke beschriebene steile und felsige Kletterpassage von 50 Hm
weit über
uns vermuten.
Bis dorthin soll der gutgläubige Wanderer über Schnee
und ein Gletscherchen gelangen, Spuren sehen wir jedoch auch weiter oben
durch unsere Feldstecher absolut keine. Nun wird uns klar, was wir längst
erahnten: der gute Richard Goedeke ist wohl selbst nie hier gewesen, hat er
die Tour
in seiner 3000er Westalpen-Sammlung doch lediglich mit 5 Zeilen beschrieben.
Wir sehen schon unser Gipfelziel schwinden, so beschließe ich mit
Steigeisen das Schneefeld auf direktem
Wege bis zur besagten Passage zu erkunden. Was
von unten recht einfach aussah, erweist sich nun als extrem steil im oberen
Teil, den Einstieg in den Fels finde ich leider nicht, denn die vermutete
Kletterroute erweist sich als Steinlawinenrinne. Einen Versuch den Grat
zu erreichen
an einer weniger steilen Passage breche ich schließlich ab. Ein zu
waghalsiges Unterfangen auf steilem vereisten Fels und Schutt. Wenn hier überhaupt
ein Pfad hinaufführte, dann wurde dieser zuletzt vor sehr langer Zeit
begangen und ist inzwischen unter Schutt und Schnee bis zur Unkenntlichkeit
verschwunden.
So breche ich schweren Herzens ab und gelange dank Steigeisen recht zügig
zurück zum "Lager", wo mich Stefan schon erwartet, da er mich
weit oben im Fels aus den Augen verloren hatte. Nun benötigen wir ein Alternativziel
und erspähen in der Karte eine als Gipfel gekennzeichnete Kuppe im vorderen
Grat nördlich unserer Position. Von dort scheint auch ein markierter Pfad zurück
zum Nufenenpass zu führen.
So steigen wir über
Schnee- und Möränenfelder
schnurstracks hinab und stolpern alsbald direkt in die Weidegründe einer
riesigen Gemsenherde. Wanderer scheinen diesen tollen Tieren anscheinend
völlig
fremd, denn sie nehmen erstaunlicherweise kaum Notiz von unserem Eindringen.
So nutzen wir eine
Pause und beobachten die weidende Herde aus nicht einmal 30 m Entfernung.
Ohne
Weg und Pfad erreichen wir schließlich etwa 1 h
später den Hammer auf 2747 m dessen Haupt ein verlassenes Steinhäuschen
ziert. Nach kurzer Bräunungspause im grasigen Hang folgen wir schließlich
einem Pfad in Richtung Nufenenpass, welchen wir am Spätnachmittag auch
glücklich
erreichen. Wir nutzen den verbliebenen Tag für die Fahrt nach
Saas Grund, wo wir uns zunächst einmal 2 Tage in einer recht billigen aber zentral
gelegenen Absteige einmieten. Fazit: Goedeke gilt seither als “Lööschner”,
dessen Tourbeschreibungen
nur mit Vorsicht zu folgen ist, insbesondere, wenn er sich auf wenige Zeilen
beschränkt.
© Michael Breiden 2011
www.alpenreport.de
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